In meinen Trainings erlebe ich immer wieder eine Art Schock-Moment bei Hundehaltern, wenn ich das Wort „Führung“ erwähne. Es scheint so, dass dieser Begriff immer noch mit Strenge, Kälte und Dominanz assoziiert wird. Doch ist das wirklich so?
Eigentlich sollten zumindest alle, die selbst Kinder haben, wissen, was Führung eigentlich bedeutet. Sie ist wegweisend, liebevoll, verständnisvoll und sanft. Sie sagt: „Komm, ich zeige dir den rechten Weg!“. Und zwar, damit es dir leicht fällt, dich in eine Gemeinschaft einzufügen. Führung sagt auch: „Folge mir, ich pass auf dich auf, bei mir bist du sicher!“
Dominanz – die alte Geschichte des Patriarchats
Wenn keine Liebe und Fürsorge im Spiel ist, wenn das (verletzte oder gar übersteigerte) Ego im Vordergrund steht, kann Führung theoretisch auch ausarten. In Grobheit, Strenge und schlimmstenfalls auch in Gewalt. Wir kennen das aus früherer (hoffentlich!) Kindererziehung und genauso aus früheren Hundeschulen: „Du musst dich durchsetzen!“, „Der Hund darf niemals vor dir aus der Türe rausgehen!“ und ähnliche skurrile Vorgaben, die beispielsweise auch forderten, kleine Babys endlos schreien zu lassen, damit sie die Eltern nicht tyrannisieren …
Nun – die Zeiten haben sich ja Gottseidank längst geändert und vieles ist heute bereits undenkbar geworden. Bei liebenden Hundehaltern allerdings scheint der Begriff „Führung“ immer noch die Nackenhaare aufzustellen.

Führung? Wie geht das denn bloß?
Mit Verwunderung stelle ich fest, dass Hundehalter oft gar kein so großes Problem damit haben, wenn ein Hund mangels Führung seinen eigenen Ideen folgt. Jedenfalls so lange kein ernsthaftes Szenario entsteht, der Hund seinen Halter nicht anknurrt oder gar abschnappt oder Fremde belästigt etc.
Ein paar Beispiele aus der Praxis:
- Während ich mit der Halterin im Gespräch bin, darf sich der Hund schnuppernd umsehen. Nun soll er kommen. Dummerweise hat er aber kein Interesse daran (auch die Bindung ist leider (noch) nicht extrem stark). „Schurli, komm!“ Nichts. „Schuuuuurliiiiii, komm jetzt!“ Nichts. „Schurli, jetzt komm aber, das Frauli wird gleich böse!“ Nichts. „Geh, Schurli, lass mich doch nicht so betteln …!“
- Während ich mit der Halterin im Gespräch bin, springt der kleine Hund ununterbrochen an ihren Beinen hoch. Das Verhalten wird weder kommentiert noch korrigiert. Der Hund springt weiter. Ich frage nach, ob sie das nicht stört, drauf die Halterin halbherzig: „Na, solange er keine Schlammpfoten hat …“. Da möchte ich mir nicht ausmalen, was der Maxi zu hören bekommt, wenn seine Pfoten mal nicht sauber sind …
- Hundehalter führt vor, wie gut der Hund schon „Platz“ macht. Kommando, Hund legt sich. Hundehalter nimmt das Gespräch mit mir wieder auf, Hund steht auf und geht. Hundehalter ruft den Hund, der zuckt nicht mit der Wimper und macht sich vom Acker … Daraufhin wendet sich der Hundehalter wieder mir zu und lässt den Hund unkorrigiert eben seiner eigenen Entscheidung folgen …
Es gäbe (leider) noch zahlreiche solcher und ähnlicher Beispiele, die letztlich alle immer wieder zeigen, dass der Hund nicht an seinem Halter orientiert ist und dass Bemühungen, ein Verhalten zu verändern, nicht konsequent verfolgt werden. O-Ton: „Ich will nicht so streng zu ihr sein!“
Konsequenz ist nicht gleich Strenge
Ich persönlich mag nicht, dass mich mein Hund stundenlang anspringt, weil er Aufmerksamkeit, Kekse oder Spielzeug von mir einfordert. Das habe ich von Anfang an konsequent klar gemacht. Ein „Nein“ ist keine Dominanzhandlung, noch nicht mal Strenge. Ein „Nein“ ist einfach nur eine Orientierungshilfe im gemeinsamen Miteinander: „Nein, das nicht. Nein, so nicht.“
Ich persönlich mag auch nicht, dass ich meinem Hund minutenlang hinterherrufen oder gar -rennen muss. Ich arbeite vielmehr so früh wie möglich an einem funktionierenden Rückruf. Nicht aus Dominanz, sondern aus Führung, weil ich meinem Hund, dort wo es passt, die Freiheit geben möchte, sich nach Herzenslust auszutoben. Was ich nur dann verantworten kann, wenn ich sicher sein kann, dass er auch wiederkommt, wenn ich ihn rufe. Zu seinem Schutz. Oder weil ich jetzt einfach nach Hause gehen will.
Denn: Ich gebe die Regeln vor. Nicht weil ich dominant, stärker *lach* oder besser bin, sondern weil ich die Verantwortung übernommen habe. Und zu dieser Verantwortung gehört auch, dass ich meine Führungsrolle einnehme, damit meine Hunde wissen, woran sie sind und sicher sein können, dass sie sich immer und überall auf mich verlassen können. Aus Liebe und Fürsorge.